Innovation

Beschleunigung von Digitalisierung & Automatisierung bei Finanzdienstleistern durch gezielten Kompetenzaufbau – die Basis für Innovation und wirtschaftliche Stabilität

Veröffentliche eine Notiz:

1. Warum tun sich viele Finanzdienstleister weiterhin sehr schwer, Automatisierungs- und Digitalisierungsvorhaben ausreichend skaliert in ihrem Unternehmen umzusetzen?

Die Finanzdienstleister sind im Testen und Erproben von Digitalisierungs-Lösungen einen guten Schritt vorangekommen. So wurden in den letzten 5 Jahren u.a. Chat-Bots, Digitale Assistenten, Beratungs-Avatare, Robotics-Lösungen, End-to-End Workflow-Lösungen erprobt und eingesetzt.

Über 50% der Banken haben bereits Erfahrungen mit Digitalisierungstechnologien gesammelt (IBM IBV Studie 2021):

Trotzdem hadern die Unternehmen damit, diese Technologieansätze zu skalieren. Dabei ist eine Skalierung immens wichtig, um die Qualitätsziele an der Kundenschnittstelle sowie die Effizienzziele in den Prozessen zu erreichen. Zudem wird erst durch eine Skalierung des Technologieeinsatzes ein attraktiver ROI erreicht.

Genau hier liegt bereits eine der Herausforderungen: Um skalieren zu können, sind Kompetenzen im Unternehmen aufzubauen, d.h. Investitionen zu tätigen. Bereits dort wird die Digitalisierung ausgebremst, da die Investitionen kaum stattfinden und andere Themen eine höhere Priorität zugesprochen bekommen.

So bilden bei den deutschen Finanzdienstleistern z.B. die Erweiterung und Erneuerung der alten Kernbanksysteme und das Daten-Management, bei erheblich erhöhten Anforderungen, zentrale Investitionsschwerpunkte.

Dieses Dilemma gilt es, aufzulösen, damit nicht langfristig die wirtschaftliche Stabilität des Unternehmens gefährdet ist. Aufbau der Digitalisierung heißt, in die Erneuerung des Unternehmens zu investieren – es ist eine strategische Investition.

2. Ein wesentlicher Hebel in der Digitalisierung ist der Einsatz von kombinierten Technologien – dies stellt hohe Anforderungen an die Fähigkeiten eines Unternehmens

Was bedeutet Skalierung des Technologieeinsatzes in Unternehmen? Der vielfältige Einsatz von Digitalisierungstechnologien wird erst durch die Kombination von Technologien in der Breite ermöglicht.

Die Digitalisierung von Daten über intelligente Schriftguterkennung ist ein gutes Beispiel: Erst wenn die Daten strukturiert vorliegen, kann ein intelligentes Routing in dezidierte Workflows erfolgen. Hierbei können intelligente Rules-Engines die Prozesslogik unterstützen und mit RPA-Lösungen gekoppelt werden, um z.B. Stammdaten automatisch in den Kernbankensystemen zu pflegen.

Demzufolge hebelt erst das Zusammenspiel von verschiedenen Digitalisierungstechnologien die angestrebten Effizienzpotentiale. Dies bedeutet jedoch auch, dass Unternehmen ihre Technologiekompetenz breit aufstellen sollten. Neue Kompetenzen sind in die DNA der Unternehmen einzubauen, was eine große Herausforderung für viele tradierte Unternehmen darstellt.

So besteht der Bedarf, mindestens 10% der Belegschaft von Finanzdienstleistern in den nächsten 2 bis 3 Jahren für diese neuen Aufgaben auszubilden (IBM IBV Studie 2021). Letztlich gilt es, den breiten Technologieeinsatz mit einem kulturellen Wandel innerhalb des Unternehmens zu verbinden. Unternehmen, die Digitalisierungstechnologien mit einem ganzheitlichen Ansatz zur Transformation kombinieren, können somit ein höheres Umsatzwachstum erzielen als jene, die sich nur auf die Technologieeinführung allein konzentrieren (IBM Research Insights 2021, Extending digital acceleration).

3. IBM Studien kommen eindeutig zu der Aussage, dass Automation ein zentraler Faktor für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit in den nächsten Jahren sein wir

Eine weitgehende Umstellung von Prozessen hin zu einem hohen Automatisierungsgrad sollte von Banken nicht als experimentell, sondern vielmehr als existentiell betrachtet werden.

Das Potenzial bei Finanzdienstleistern ist enorm. Ein Großteil der Prozesse ist bereits durch Fachanwendungen unterstützt und die Daten liegen digital vor. Dementsprechend können Finanzdienstleister auf diesem Gebiet überproportional profitieren.

Durch den Fokus auf Automation können Banken ihre Prozesse in intelligente Workflows transformieren, die den Nutzer in den Mittelpunkt stellen. Automatisierung sollte eben nicht nur die Einführung von digitalen Technologien bedeuten, sondern gleichzeitig Prozesse end-to-end gestalten. Solche Ansätze können „Low-Hanging Fruits“ haben, wie eine IBM Studie zeigt. Demzufolge erzielen Unternehmen, die digitale Technologien einführen und bei der Implementierung auf nutzerzentrierte Prozesse setzen, im Vergleich zu anderen Wettbewerbern ein Umsatzwachstum von durchschnittlich 20% (IBM Research Insights 2021, Extending digital acceleration).

Automation ist ein Schlüsselfaktor für den Markterfolg von Finanzdienstleistern. Der Wettbewerb ist bereits im vollen Gange: So haben die Top-50 Privat- und Firmenkundenbanken in Deutschland bis 2020 sechs Milliarden Euro an Digitalisierungsinvestitionen durchgeführt. Manche Banken richten sogar ihr komplettes Budget auf Digitalisierung aus.

4. Unternehmen stehen vor den Herausforderungen, entsprechende Kompetenzen aufzubauen, die Technologie zu kennen, zum Teil zu beherrschen und vor allem einsetzen zu können

Auch wenn den Unternehmen die Bedeutung der Digitalisierung bewusst ist, bleibt die wesentliche Frage, wie dieser Wandel realisiert werden soll und wie die Technologie-kompetenzen aufgebaut werden können. Für Finanzdienstleister ist dies kein einfaches Unterfangen, da Technologiekompetenz tendenziell eher „outgesourct“ und über viele Jahre nicht als Kernkompetenz angesehen wurde.

Für die Digitalisierung ist der Trend zum IT-Outsourcing sicher nicht komplett zurückzudrehen, jedoch wird die Technologiekompetenz ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil der Finanzdienstleister sein. Wie wichtig Technologiekompetenz ist, zeigen Geschäftsmodelle diverser FinTechs. Es bleibt also die Herausforderung, entsprechende Kompetenzen aufzubauen. Die zentrale Frage ist: Wie?

Kenntnisse über aktuelle Digitalisierungs-Trends, deren Potenziale und Einsatzfähigkeiten sollten im Unternehmen kontinuierlich a jour gehalten werden. Ob die Fähigkeit, die Technologie fachlich bzw. technisch zu beherrschen, gänzlich im Unternehmen vorgehalten werden soll, ist eine Frage der Unternehmensgröße und -ausrichtung.

Auch der Betrieb von Digitalisierungstechnologien im täglichen Einsatz ist eine unternehmerische Kompetenz, die zum Großteil in eigener Verantwortung liegen sollte. Aber auch hier gibt es Beispiele für Factory-Modelle, wo mit spezialisierten Delivery-Centern partnerschaftlich zusammengearbeitet wird.

Jedes Unternehmen muss für sich beantworten, wie die Balance aus eigenen Kompetenzen und Zusammenarbeit mit Kollaborations-Partnern ausgestaltet sein soll. Es gibt jedoch Kompetenzschwerpunkte, die Unternehmen zwingend entwickeln sollten, wenn man im technologiegetriebenen Finanzdienstleistungssektor wettbewerbsfähig bleiben möchte.

5. IBM sieht 4 Kompetenz-Schwerpunkte, die es aufzubauen gilt

IBM hat diverse Unternehmen über die letzten Jahre bei der Realisierung von Digitalisierungs-Lösungen begleitet. Im Rahmen dieser Vorhaben wurden vielfältige Erfahrungen mit dem Aufbau der entsprechenden Kompetenzen gesammelt.

Grundsätzlich gilt es, einen breiten Fächer an Skills und Fähigkeiten aufzubauen. Dies wird im Rahmen von PoCs oder kleinen MVPs noch nicht wirklich deutlich. Erst wenn der produktive Einsatz angestrebt wird, fallen all diese Themen an und sind zu beantworten.

Dieser breite Fächer an Themen lässt sich grob in vier Kompetenz-Schwerpunkte gliedern:

  1. End-to-End Prozess-Reengineering
  2. Passgenaue Digitalisierungstechnologien
  3. Organisatorisch verankerte Digitalisierungskompetenz
  4. Partnering, Co-Creation, funktionierende ECO-Systeme

Zu 1 – Die Kompetenz, End-to-End Prozesse zu gestalten, setzt umfassende Fähigkeiten voraus. Hierzu gehören Methoden- und Verfahrenskompetenzen, eine End-to-End-Prozessdenkweise, Kenntnisse über technische Möglichkeiten und eine gelebte Veränderungskultur – und einiges mehr. Allein die Methodenkompetenz reicht von agilen Arbeitsweisen, über kundenorientierte Customer Journeys bis hin zu Digital-Lean-Werkzeugen. Es gibt eine Vielzahl von Projektstrukturen, Erhebungs-Templates, Workshop-Formaten, Werkzeugen & Tools (z.B. Process Mining), die hier zum Erfolg verhelfen. Zudem sind situationsgerechte Change-Management-Ansätze ein Schlüssel zum Erfolg.

Zu 2 – Das Technologiespektrum für die Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen ist groß und wächst weiter hoch dynamisch. Es gilt also, die Technologien zu nutzen, die in die bestehende IT-Landschaft hineinpassen bzw. diese zu ergänzen und weiterzuentwickeln. Auch hier gilt die einfache Formel: „Think big, start small“. In einer Aufbauphase mit einfacher Automatisierung und Reduktion von papierhafter Bearbeitung zu starten, hilft, Kompetenzen aufzubauen und zügig den Einsatz zu skalieren. Entwicklung und Bereitstellung von AI-Lösungen können folgen, wenn ein Fundament an Kompetenzen vorhanden ist. AI/Kognitive Technologien einzusetzen und zu skalieren stellt höhere Anforderungen an das Know-How sowie die organisatorische „Readiness“ des Unternehmens.

Zu 3 – Die Fähigkeit einer Organisation, Digitalisierungsmaßnahmen umzusetzen, wird zunehmend zu einer Kernkompetenz und somit Schlüsselfunktion. Die notwendigen Mitarbeiterkapazitäten sind aufzubauen und mit entsprechenden Trainings auszubilden. Durch die große Technologiebandbreite sollte dies sehr fokussiert erfolgen. Im Zuge dessen bietet sich die Etablierung eines Center of Competence (CoC) an. Die Einbettung in eine funktionsfähige Governance ist für einen operativen Betrieb von Digitalisierungs-Lösungen eine Grundvoraussetzung. Welcher Weg praktikabel ist, z.B. dezentrale CoC oder zentrale Factory-Strukturen, hängt vom Umfang der geplanten Skalierung ab. Eine Realisierung fällt hier leichter in einem kollaborativen Umfeld mit spezialisierten Unternehmen.

Zu 4 – Moderne Digitalisierungsstrategien folgen nicht dem klassischen IT-Systementwicklungs-ansatz, sondern sind hoch agil und starten meist mit MVPs. Kleine einsatzfähige Lösungsbausteine werden in kurzen Zeiträumen realisiert und produktiv genutzt. Um hier schnell und effizient Lösungen bereitzustellen, bietet sich der Co-Creation Ansatz an. Gemeinsam mit Technologiepartnern werden die Kompetenzen in integrierten Teams zusammengeführt. Basierend darauf werden in einem innovativen Umfeld Ideen generiert und zur Umsetzungsreife gebracht. Ausgereifte „Garage“-Methoden und -Verfahren unterstützen dieses Vorgehen. Der Garage-Ansatz als End-to-End-Modell nimmt die Problemstellung des Kunden in den Fokus und beschleunigt die Lösungsentwicklung. Dabei werden innovative Ideen rasch durch den Einbezug von Experten, Verfahren und Technologien in einen geschäftlichen Nutzen umgesetzt.

6. Evolution und Revolution müssen zusammenkommen – deutsche Finanzdienstleister werden nur zweigleisig erfolgreich sein

Mit Blick auf die internationalen Finanzdienstleister wird besonders deutlich, dass im deutschsprachigen Raum lange in traditionellen Geschäftsmodellen mit klassischer IT verharrt wurde. Tiefgreifende Umbrüche und innovativer Technologieeinsatz wurden nicht vorangetrieben. Die evolutionäre Weiterentwicklung der Systemwelten ist kulturell sowie durch zurückhaltende Innovationsstrategien begründet.

Digitalisierungstechnologie benötigt jedoch mehr Mut zur Erneuerung sowie auch Mut zur Erprobung. Der Wirkungsumfang und die Dynamik von Digitalisierungstechnologien wie z.B. Blockchain, AI-basierte Assistenten oder Automatisierung ist so hoch, dass ihr Einsatz immer grundlegende Veränderung im Unternehmen bedeutet.

Es führt daher kein Weg an mutigen Veränderungsstrategien vorbei. Der Technologiewandel revolutioniert bereits jetzt den Finanzdienstleistungssektor in seinen Grundfesten.

7. In den folgenden Blogs werden wir die Kompetenzbereiche in der Digitalisierung einzeln vertiefen

Wir möchten Ihnen in dieser Blog-Serie aufzeigen, wie Finanzdienstleister mit einem tiefgreifenden Kompetenzaufbau in der Zeit der technischen Revolutionen erfolgreich sein können. In 4 Kompetenzschwerpunkten zeigen wir die Trends und Highlights anhand von Beispielen und Use Cases auf.

Wir sind überzeugt, dass Technologiekompetenz ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil der Zukunft ist. Die richtige Positionierung in der Organisation wird für eine Modernisierung des Geschäftsmodells unerlässlich sein.

Freuen Sie sich auf die nächsten Beträge in dieser Blog-Serie.


Autoren

Andreas Hoffmann

Associate Partner – Strategy & Transformation Management Consulting

andreas.hoffmann2@de.ibm.com

Tobias Hahn

Associate Business Transformation Consultant – Banking

Tobias.Hahn@ibm.com

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